Implementierung zeitgemäßer,
organisationaler Lernstrategien für die Steigerung ihres betrieblichen
Wissensmanagements und ihres Humankapitals.
Individuelle
Entwicklungen, sowie ständige wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungsprozesse
machen eine Lernkultur erforderlich, die unter der Prämisse der
Selbstorganisation des Lernens die Bereiche:
- Lernen im
Prozess der Arbeit
- Lernen im
sozialen Umfeld
- Lernen in
Weiterbildungseinrichtungen
- Lernen in Neuen
Medien umfasst.
Selbstorganisation
des Lernens meint in diesem Zusammenhang eine Sichtweise von Lernen, „wenn
wechselnd Lernziele, Operationen, Strategien, Kontrollprozesse und ihre Offenheit
vom lernenden System selbst so angegangen und bewältigt werden, dass sich dabei
die Systemdispositionen erweitern und vertiefen, wenn es primär um diese
Erweiterung und
Vertiefung
geht“ (Erpenbeck, 2008).
Unter dem
Aspekt der Kompetenzentwicklung sollten Organisationen sich der Bedeutung für
das kontinuierliche Lernen bewusst werden, das Lernen für sich als
Gestaltungsaufgabe begreifen und entsprechend ihre Arbeitsweisen und Strategien
der Organisations- und Personalentwicklung anpassen.
Für das
lernende Individuum sind Arbeit und soziales Umfeld eine prägende Infrastrukturebene.
In diesem Kontext bieten wir ihnen an, gemeinsam und individuell mit ihnen
diese betrieblichen/organisationalen Lernstrukturen aus- und
weiterzuentwickeln.
Hierbei
ist entscheidend, dass sich betriebliche und außerberufliche Lernstrukturen aus
den betrieblichen/organisationalen Entwicklungsproblemen und
Innovationsprozessen ergeben, denn Betriebe sind von ihrem Selbstverständnis her
keine Bildungseinrichtungen (Ausnahme: die Bildungseinrichtung als Betrieb),
sondern haben andere Aufgabenstellungen.
Diese
Instrumente zu optimieren und als Gestaltungsaufgaben zu begreifen, bedeutet
die über die bisherigen Personalentwicklungsstrategien hinauszugehen und eine betrieblicher/organisationaler
Lerninfrastruktur zur ganzheitlichen Kompetenzentwicklung zu schaffen.
Wesentliche Faktoren und notwendige Gestaltungsfelder werden nachfolgend
aufgeführt:
Die bewusste Kompetenznutzung: Die
Motivation zum kontinuierlichen Lernen entspringt insbesondere auch aus der
Nutzung der im Betrieb/in der Organisation vorhandenen Kompetenzen aller
Mitarbeiter. Deshalb müssen betriebliche Personal-/Organisationsentwicklung verstärkt
den Blick auf die Nutzung der vorhandenen individuellen Kompetenzen richten.
Organisationsentwicklung: Ziel der
Organisationsentwicklung sollte es unter Lerngesichtspunkten sein, eine
ganzheitliche Arbeitsgestaltung mit vollständigen Tätigkeiten zu realisieren. Vollständige
Tätigkeiten sind die organisatorischen Voraussetzungen für ein mögliches Lernen
im Prozess der Arbeit. Vorständige Tätigkeit beinhaltet die Merkmale
vollständiger Handlungen, (Zielbildung, Orientierung, Handlungsplanung, Handlungsvollzug,
Handlungskontrolle, Reflexion) Lernförderlichkeitsinventar (LFI) baut auf Items
der überarbeiteten Version des Teiltätigkeitsinventars auf (vgl. Frieling et
al., 1991).
Innerbetriebliche Kommunikationskultur: Gerade
mit Blick auf das Lernen in der Arbeit ist die Weiterentwicklung der
betrieblichen Kommunikationskultur erforderlich. Ein „job related training“ muss
auf der innerbetrieblichen Kommunikationskultur aufbauen. Lernen ist ein Stück
weit Kommunikation. Entwicklung vollzieht sich über Kommunikation. Das Gespräch
zwischen Unternehmen und Unternehmern, das Gespräch zwischen Meister und
Gesellen, die unterschiedlichsten Erfahrungsaustauschkreise zu den
unterschiedlichsten Themen sind entscheidende Orte des Lernens. Auch der Dialog
zwischen Betrieben ist Teil dieser Kommunikationskultur, innerhalb von
Branchen, entlang der Prozesskette, bei der Kooperation bei bestimmten Aufgaben
und Problemen. Aber Kommunikation bedarf der ständigen Pflege.
Lernintensität von Arbeitsplätzen: Es
besteht ein großes Defizit hinsichtlich des Benchmarks der Lernintensität von
Arbeitsplätzen. Gerade aber das Lernen im Prozess der Arbeit leistet einen entscheidenden
Beitrag zur Innovationsfähigkeit und Flexibilität der Unternehmen und
Organisationen.
Personalentwicklung und Kompetenzbewertung: Die
Sichtweise der Selbstorganisation des Lernens macht betriebliche/ organisationale
Personalentwicklung und Kompetenzbewertung immer komplexer. Dies gilt sowohl
für die Personalauswahl als auch die Personalentwicklung.
Kompetenzentwicklung und Kompetenzmessung: Die
Sichtweise, dass sich Kompetenzen in unterschiedlichen Formen des Lernens
entwickeln, hat zur Folge, dass sich die Instrumente und Methoden der
Kompetenzermittlung und -bewertung verändern müssen. Betriebliche
Weiterbildungsentwicklungsplanung kann sich nicht mehr allein auf traditionelle
Formen der Weiterbildung richten, sondern muss das Lernen im Prozess der Arbeit,
das Lernen im sozialen Umfeld und das selbst organisierte Lernen in Neuen
Medien mit im Auge haben.
Ausdifferenzierung der Lernformen betrieblicher Weiterbildung:
Betriebliche Weiterbildung kann sich nicht nur auf traditionelle Weiterbildungsangebote
beschränken. Sie muss Supportfunktionen für das Lernen im Arbeitsprozess
übernehmen wie neue Dienstleistungen zur Unterstützung betrieblicher/organisationaler
Entwicklungsprozesse durch Lernen erbringen.
Unternehmensnetzwerke: Betriebliche Entwicklungsprozesse
vollziehen sich entlang der Prozesskette innerbetrieblich und
zwischenbetrieblich. Das für Innovation und Entwicklung notwendige Lernen
vollzieht sich analog durch entsprechende Kommunikationsstrukturen, die es zu
optimieren gilt.
Prozessformen
des Lernens:
Bezugspunkte des Lernens
|
Formelles Lernen
|
Informelles Lernen
|
Fachinhalte
|
x
|
|
Problemlösekompetenz
|
x
|
|
Selbstsicherheit
|
|
x
|
Umgang mit
Mitarbeiterinnen/Kolleginnen
|
|
x
|
Arbeitsorganisation
|
x
|
|
Informelles und formelles Lernen
heben ab auf den Prozesscharakter des Lernens (die Merkmalsdimensionen
„Ereignis“ und „Planung“, wonach als informell ein Lernen gilt, das
ereignishafthaftsituativ und offen in der Fülle der Lebenssituationen
stattfindet, als formell hingegen ein Lernen, das situationsüberschreitend
perspektivisch und geplant angelegt ist). Demnach findet sich informelles
Lernen in individuell-privaten Lernarrangements ebenso wie in
arbeitsintegrierten, institutionell-geplanten, selbst gesteuerten und selbst
organisierten.
Kompetenzentwicklung stabilisieren
Um Prozesse der Kompetenzentwicklung dauerhaft
zu stabilisieren, müssen Unternehmen über effiziente und beherrschbare Methoden
der Steuerung der Entwicklungsprozesse verfügen. Die veränderten Handlungsbedingungen
von Unternehmen, die gegenwärtig mit der Zeitdiagnose „Wissensgesellschaft“
beschrieben werden, haben für die betriebliche Praxis mindestens zwei Konsequenzen:
1. Die Arbeit in Industrie und
Dienstleistungen verändert sich: Der Anteil an neuem Wissen, das die
Beschäftigten für die effiziente Bewältigung ihrer Arbeitsaufgaben ständig
aufnehmen und umsetzen müssen, nimmt nach allgemeiner Einschätzung zu. Dies
entwertet jene durch Ausbildung und durch langjährige Erfahrung erworbenen
Wissensbestände und fordert in zunehmendem Maße das ständige, aktive Lernen
während der Arbeit. Eine Trennung von Zeiten und Orten des Lernens von Zeiten
und Orten des Arbeitens gilt zunehmend als problematisch. Die Unternehmen
stehen vor der Aufgabe, angemessene Formen des Lernens im Prozess der Arbeit zu
entwickeln und umzusetzen.
2. Laufende Veränderungen ihrer
Wettbewerbsbedingungen zwingen Unternehmen dazu, ein Optimum an
organisationalem Wissen oder an „systemischer Expertise“ (Willke) zu entwickeln,
um auf den Märkten bestehen zu können. Ihre Flexibilität und
Innovationsfähigkeit beruht auf der raschen und zielgerichteten Zusammenführung
ihrer arbeitsteilig verteilten Wissensbestände und auf der ständigen
Weiterentwicklung ihrer organisierten Lernprozesse. Hierbei kommt es darauf an,
dass die Organisation auch eine von individuellen Fähigkeiten unabhängige
Kompetenz erwirbt. Dies stellt das praktische Problem, effiziente Regelsysteme
und Geschäftsprozesse aufzubauen, welche die Sicherung und Entwicklung des
organisationalen Wissens gewährleisten
„Beschränkt sind moderne
Organisationen vor allem aber immer noch darin, daß ihre spezifisch
organisationale Intelligenz bescheiden geblieben ist. Sie verlassen sich auf
die Expertise ihrer Mitglieder und arbeiten dann nach ihren eigenen Ansprüchen
zufriedenstellend, wenn sie fallweise Kooperation und das individuelle Lernen
ihrer arbeitsteilig organisierten Mitglieder nicht über Gebühr behindern. Zwar
bemerken die meisten dieser Organisationen inzwischen, dass diese Form der
Kooperation und vor allem diese Form des Lernens suboptimal ist, aber sie
finden es schwierig oder unmöglich, andere Formen verlässlich einzurichten
(Wilke)“.
Mit „betrieblicher
Kompetenzentwicklung“ sind betriebliche Vorhaben gemeint, die Maßnahmen der
Personal- und Organisationsentwicklung integrieren. Dies bedeutet die
erweiterte Nutzung individueller Kompetenzen von Mitarbeitern zum einen durch
Maßnahmen der Qualifizierung und der Erweiterung von Aufgabenprofilen und
Handlungsspielräumen, zum anderen durch kollektive Bündelung von Kompetenzen mittels
Intensivierung funktions- und hierarchieübergreifender Kommunikations- und
Kooperationsbeziehungen wie auch mittels produkt- und prozessorientierter Gestaltung
der Arbeits- und Betriebsorganisation.
Für eine Lösung des betrieblichen Kompetenzproblems
werden im Veränderungsprozess unterschiedliche Akteure mit ihren besonderen
Interessen zusammengeführt um sie für eine dauerhafte Veränderung des gesamtbetrieblichen
Systems der Personal- und Organisationsentwicklung zu gewinnen. Der Veränderungsprozess
zielt auf einen kollektiven Lernprozess mit dem Inhalt einer veränderten Sicht
auf mögliche Fähigkeiten der arbeitenden Menschen, Formen des Zusammenarbeitens
im Betrieb und die Rolle der Organisation ab.
Im Zentrum der Implementierung eines
„Kompetenzentwicklungssystems“ steht die Organisation eines gemeinsamen Lernprozesses
wichtiger involvierter Akteure. In einem langfristig organisierten Dialog
werden gemeinsam die Rahmenbedingungen für den von ihnen angestoßenen
Entwicklungsprozess ausgekundschaftet und verbessert, Entwicklungsblockaden und
Störungen der Kompetenzentwicklung erkannt und abgebaut. Bewusste
Kompetenzentwicklung zielt somit auf einen Prozess der Selbstevaluation, um praktische
und gemeinsam getragene Lösungen zu entwickeln und durchzusetzen.
Mit der
Implementierung eines Kompetenzsystems werden grundlegend drei Ziele verfolgt:
1. Diagnose der
betrieblichen Situation
Erst durch das reflexive Erkennen der
Einflussfaktoren sowie der Stärken und Schwächen des Organisationssystems wird
ein gezieltes und problembezogenes Handeln ermöglicht. Die Bewertung der
Situation ist nicht ohne Offenlegung der Motive und Hintergründe der
unterschiedlichen beteiligten Akteure möglich. Daher werden die wirklichen
Motivationsfaktoren der Zielgruppen und die möglichen Grenzen und Hemmnisse einer
Entwicklung sichtbar gemacht. Durch eine systematische Analyse wird ein breites
Verständnis sowohl des Problems als auch der Möglichkeiten seiner Lösung
erreicht.
2. Die
Optimierung der Kompetenzentwicklung wird durch die Vereinbarung und gemeinsame
Verfolgung von Maßnahmen erreicht, welche die erkannten Schwächen zu beheben
versprechen. Die Effekte der Umsetzung werden unter Beachtung aller
wesentlichen Aspekte immer wieder reflektiert und bewertet, so dass eine ständige
Verbesserung der Wirksamkeit ermöglicht wird. Ungeplante Nebenfolgen und
störende Effekte werden besser erkannt oder können vermieden werden.
3. Die
Etablierung eines kollektiven, organisationalen Lernprozesses durch die Verstetigung
des kommunikativen Dialogs: Dies betrifft zum einen die Zusammenarbeit der
Beteiligten. Sie lernen die unterschiedlichen Sichtweisen kennen und können
Motivlagen und Hintergründe des Handelns der jeweils anderen Seite genauer
einschätzen. Damit wird Vertrauen aufgebaut und im ständigen Dialog auch die
Grundlage für eine allmähliche Veränderung von überkommenen Sichtweisen
geschaffen. Zweitens wird ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich der Voraussetzungen
und Bedingungen der Kompetenzentwicklung und geeigneter Instrumente
integrierter Personal- und Organisationsentwicklung geschaffen, vertieft und
auf eine belastbare Grundlage gestellt. Drittens fördert die Dokumentation des
Erfolgs eingeleiteter Maßnahmen die Motivation zum Engagement und unterstützt
eine allmähliche Verankerung der Verbesserungsaktivitäten im Betrieb. Und nicht
zuletzt hat der Prozess die Entwicklung neuer personalpolitischer Konzepte und
Instrumente und ihrer Implementation zum Ergebnis. Er trägt also schrittweise
zum Aufbau eines im Betrieb akzeptierten Systems der integrierten Personal- und
Organisationsentwicklung bei.
Fazit:
Unternehmen benötigen zur Steuerung
der Prozesse ihrer Kompetenzentwicklung neues Handlungswissen. Es ist nicht
mehr ausreichend, wenn lediglich die Experten in der Personalabteilung über Konzepte
und Lösungen verfügen. Entscheidend ist die Beteiligung von Management und
Beschäftigten, um das erforderliche Wissen zu beschaffen und weiter zu entwickeln,
da für die Steuerung des Entwicklungsprozesses in besonderer Weise situations-
und kontextbezogenes Wissen relevant ist
Þ über Perspektiven und
arbeitsbezogene Interessen der verschiedenen Akteure,
Þ über sich verändernde
Voraussetzungen und Bedingungen der Kompetenzentwicklung,
Þ über Möglichkeiten und
Grenzen der ergriffenen Maßnahmen,
Þ über nicht intendierte
Effekte von Aktivitäten.
Es ist sinnvoll, sich den Prozess der
Steuerung der Kompetenzentwicklung als einen Prozess der Erzeugung und Verbreitung
personalpolitischen Handlungswissens vorzustellen. Mit dem
Kompetenzentwicklungsdialog wird dabei ein wirksames Mittel zur Unterstützung des
Wissensmanagements der Personal- und Organisationsentwicklung bereit gestellt.
Literaturquellen:
Erpenbeck, John & Sauter, Werner
(2007). Kompetenzentwicklung im Netz. Köln:
Personalwirtschaft
Frieling, E.; Kauffeld, S.; Grote, S.;
Bernard, H.: Flexibilität und Kompetenz. Schaffen flexible Unternehmen
kompetente und flexible Mitarbeiter? edition QUEM, Band 12. Münster, New York,
München, Berlin 2000
Nonaka, I.; Takeuchi, H.: Die
Organisation des Wissens. Wie japanische Unternehmen eine brachliegende
Ressource nutzbar machen. Frankfurt, New York 1997
Willke, H. unter Mitarbeit von Gnewekow,
D. u. a.: Systemisches Wissensmanagement. Stuttgart 1998